EG-Vogelschutzrichtlinie
Die Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (EG-Vogelschutzrichtlinie, 2009/147/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 30. November 2009) ist das Instrument der Europäischen Gemeinschaft, die Vogelarten Europas in ihrer Gesamtheit als Teil der europäischen Artenvielfalt (= Biodiversität) zu schützen.
Ziel dieser Richtlinie ist, sämtliche wild lebenden Vogelarten, die in der Gemeinschaft heimisch sind, in ihren natürlichen Verbreitungsgebieten und Lebensräumen zu erhalten. Sie enthält Regelungen zu folgenden Aspekten:
- Schutz der Lebensräume
- Regelung der Bewirtschaftung der Bestände
- Förderung der wissenschaftlichen Forschung
In welchem Verhältnis steht die EG-Vogelschutzrichtlinie zur FFH-Richtlinie?
Die EG-Vogelschutzrichtlinie ähnelt in ihrer Zielsetzung der FFH-Richtlinie, stellt aber ausschließlich auf den Schutz von Vogelarten ab. Deshalb klammert die FFH-Richtlinie die Vogelarten als Auswahlkriterien für FFH-Gebiete aus. Die FFH-Richtlinie bestimmt jedoch, dass Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete) und EG-Vogelschutzgebiete (auch Besondere Schutzgebiete - BSG - oder Special Protection Area - SPA - genannt) gemeinsam die Gebietskulisse des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 bilden. Außerdem gelten die Vorschriften der FFH-Richtlinie über die Verträglichkeitsprüfung auch für hoheitlich gesicherte EG-Vogelschutzgebiete.
Die Schutzgebiete von "Natura 2000" sollen ein "kohärentes ökologisches Netz" bilden. Was bedeutet das?
Die Gebiete müssen hinsichtlich ihrer Größe und Verteilung geeignet sein, die Erhaltung der Lebensraumtypen und Arten in ihrem gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet zu gewährleisten. Für Vogelschutzgebiete muss daher neben den Schwerpunktvorkommen einzelner Arten auch die Grenze des jeweiligen Verbreitungsgebietes berücksichtigt werden, wobei nicht jedes vereinzelte und unstete Vorkommen bedeutsam ist. Dabei ist zu bedenken, dass viele der Vogelarten heute ein stark verkleinertes Verbreitungsgebiet aufweisen, da sie aufgrund von Lebensraumverlusten oder direkter Verfolgung auf Reste ihres ehemaligen - natürlichen - Verbreitungsgebietes zurückgedrängt wurden (z.B. Fischadler, Schwarzstorch, Ortolan).
Dazu wird angestrebt, dass die Lebensräume, die von Natur aus großflächig und zusammenhängend ausgeprägt sind bzw. waren, auch in möglichst großen und miteinander verbundenen Komplexen geschützt werden ("Kohärenz"). Dies gilt vor allem für viele Vogelarten mit großen Raumansprüchen: Der Rotmilan brütet in Altholzbeständen von Wäldern und jagt in einer möglichst strukturreichen Landschaft aus Äckern, Grünland, Gewässern oder auch Dorfrandbereichen. Der Zwergschwan nutzt dagegen Grünland- und Ackerflächen zur Nahrungssuche, während er Gewässer zum Schlafen, Rasten und Trinken benötigt. Für den Erhalt dieser Arten, die Lebensraumkomplexe in der Kulturlandschaft benötigen, ist daher auch die Einbeziehung repräsentativer Landschaftsausschnitte in die EG-Vogelschutzgebiete erforderlich.
Der Begriff der "Kohärenz" ist als funktionaler Zusammenhang zu verstehen. Die Gebiete müssen nicht in jedem Fall flächig miteinander verbunden sein.
Wie sollen die EG-Vogelschutzgebiete gesichert werden?
Nach aktueller Rechtsprechung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die EG-Vogelschutzgebiete hoheitlich zu sichern. Dies kann beispielsweise. durch Landschafts- oder Naturschutzgebiete aber auch durch Gesetz erfolgen, wie das z. B. in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geschehen ist
Zusätzlich können auch freiwillige Vereinbarungen (z.B. durch Vertragsnaturschutz) und administrative Regelungen (z.B. durch Selbstbindung bei staatseigenen Flächen oder durch Verwaltungsvorschriften) getroffen werden.
Die Vogelschutzgebiete "Niedersächsisches Wattenmeer" und "Nationalpark Harz" sind durch das Gesetz über den Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" bzw "Harz (Niedersachsen)" und das Vogelschutzgebiet "Untere Mittelelbe" ist durch das Gesetz über das Biosphärenreservat "Niedersächsische Elbtalaue" bereits gesichert worden.
Welche Konsequenzen hat die Festlegung von EG-Vogelschutzgebieten für bestehende Nutzungen? Können dort noch neue Vorhaben verwirklicht werden?
EG-Vogelschutzgebiete müssen von den europäischen Mitgliedstaaten geschützt und in einem für den Schutzzweck günstigen Zustand erhalten werden. Auch wenn Verbesserungen dieses Zustands im Sinne des Naturschutzes ausdrücklich wünschenswert sind, verpflichtet die Vogelschutzrichtlinie den Mitgliedstaat (bzw. das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) die Bundesländer) in erster Linie dazu, Verschlechterungen der Gebiete zu verhindern. Rechtmäßige Nutzungen und rechtsverbindlich zugelassene Vorhaben bleiben unberührt.
Neue Vorhaben (Projekte und Pläne) können in hoheitlich gesicherten Vogelschutzgebieten nach Maßgabe der Vorschriften über die Verträglichkeitsprüfungdurchgeführt werden.
Was wurde zur Umsetzung der EG-Vogelschutzrichtlinie in Niedersachsen veranlasst?
In den Jahren 2001 und 2007 erforderten neue Erkenntnisse über die Bestandsentwicklung der verschiedenen europarechtlich geschützten Vogelarten in Niedersachsen eine Aktualisierung der EG-Vogelschutzgebiete. Auf der Grundlage der Ergebnisse umfangreicher Beteiligungsverfahren hat die Niedersächsische Landesregierung die Aktualisierung der EG-Vogelschutzgebiete durchführen lassen und über die Gebietskulisse entschieden.
Die Gesamtkulisse der niedersächsischen Vogelschutzgebiete kann auf der interaktiven Umweltkarte eingesehen werden.
Die Erklärung von Gebieten zu Europäischen Vogelschutzgebieten ist im Niedersächsischen Ministerialblatt Nr. 35 vom 02.09.2009 bekanntgemacht. Der Bekanntmachungstext sowie die Gebietskarten können beim NLWKN auch einzeln heruntergeladen werden.
Niedersachsen hatte bereits 1983 die Vorschriften zur Auswahl von EG-Vogelschutzgebieten umgesetzt. 1988 fasste der Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" drei vormals gemeldete Gebiete (Elbe-Weser-Dreieck, Jadebusen und westliche Wesermündung, sowie das Ostfriesische Wattenmeer mit Dollart) zusammen. Das 1993 von Mecklenburg-Vorpommern festgelegte EG-Vogelschutzgebiet "Elbetal Naturpark" ging unter der neuen Bezeichnung "Elbmarschgebiet Amt Neuhaus / Neu Bleckede" auf Niedersachsen über. Damit waren der Europäischen Kommission Informationen zu 50 niedersächsischen Vogelschutzgebieten übermittelt worden, die seit Inkrafttreten der FFH-Richtlinie im Jahre 1992 ohne weitere Überprüfung automatisch Bestandteil von Natura 2000 waren.
Storchennest in Niedersachsen
Artikel-Informationen
erstellt am:
02.09.2009
zuletzt aktualisiert am:
17.05.2011