„Rechtssichere Entnahme von Problemwölfen bestätigt“
Oberverwaltungsgericht Lüneburg ist mit Beschluss fast vollständig der Argumentation des Umweltministeriums gefolgt
PI 68/2020
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ist mit seinem jüngsten Beschluss zur Tötung von Wölfen in fast allen Punkten dem Niedersächsischen Umweltministerium gefolgt. „Das Gericht bestätigt damit abermals unsere Marschroute“, so Umweltminister Olaf Lies: „Wölfe, die Herdenschutzmaßnahmen überwinden, müssen nicht geduldet werden. Weidetierhalter müssen ihre Tiere schützen, aber sie müssen sich nicht auf einen von Wolfsschützern geforderten Rüstungswettlauf einlassen. Das Oberverwaltungsgericht hat also bereits zum zweiten Mal festgestellt: Eine rechtssichere Entnahme von Problemwölfen ist in begründeten Einzelfällen möglich und richtig.“
Konkret stand die Frage im Raum, ob auch dann auf eine zweifelsfreie Individualisierung des abzuschießenden Wolfes verzichtet werden darf, wenn zwar bekannt ist, welches Individuum für Risse verantwortlich ist, aber nicht, wie der Wolf sich durch optische Merkmale von anderen Rudelmitgliedern unterscheiden lässt. Der NABU vertrat die Auffassung, dass stets sichergestellt werden muss, den „richtigen“ Wolf zu entnehmen und dass zudem der Elternschutz von Wölfen eine zehn- bis zwölfmonatige Schonfrist pro Jahr erfordert. Hiermit wäre eine Entnahme von problematischen Einzeltieren für immer nahezu unmöglich geworden. Dies wurde vom Oberverwaltungsgericht nicht bestätigt. Stattdessen stellt das Gericht klar, dass auch bei Fällen, in denen die DNA keinen klaren Aufschluss gibt, eine Beteiligung der örtlichen Problemwölfe angenommen werden kann.
Es stellt zudem fest, dass die Tötung einzelner Wölfe nicht den Erhaltungszustand der Art landes- oder bundesweit gefährdet, da die Population derzeit jährlich um durchschnittlich ein Drittel wächst. Das Gericht ist dem NABU aber insofern gefolgt, dass eine sukzessive Entnahme – also das Töten von weiteren Wölfen bis zum Ausbleiben von Schäden – in diesem konkreten Fall nur erlaubt ist, wenn der Zeitraum zwischen Rissen und Abschüssen im Genehmigungsbescheid konkreter bestimmt und besser begründet wird.
Darüber hinaus hat das Gericht entschieden, dass eine Erhöhung der Einzäunung nicht grundsätzlich erforderlich ist. Es teilt damit die Einschätzung von Ministerium und Landkreis, dass die Empfehlung des Bundesamtes für Naturschutz einer 120 Zentimeter hohen elektrifizierten Einzäunung nicht in jedem Einzelfall eine geeignete Alternative ist. Entscheidend ist viel mehr, dass es den Weidetierhaltern nicht zugemutet werden kann, absehbar aussichtslose Maßnahmen wie die Erhöhung des Zauns oder der elektrischen Spannung zu ergreifen, wenn die Wölfe das Überwinden vergleichbarer Herdenschutzmaßnahmen bereits erlernt haben. So hatte einer der beiden Wölfe im Landkreis Uelzen lediglich einen 108 Zentimeter hohen Zaun nachweislich überwunden. Auch die Anschaffung von Herdenschutzhunden wird vom Gericht nicht als geeignete Alternative zum Abschuss betrachtet. „Durch den Beschluss können wir jetzt mit der bereits angeschobenen Maßnahme weitermachen und bleiben handlungsfähig, wenn es um die Tötung einzelner Problemwölfe geht“, so Umweltminister Lies. Da die Ausnahmegenehmigung bis Ende des Monats Juni befristet ist und aktuell keine weiteren Rissvorfälle gemeldet wurden, ist von einem Abschuss bis zum Fristende jedoch kaum mehr auszugehen. Sollte es zu weiteren Vorfällen kommen, würde unverzüglich eine neue Ausnahme geprüft und auf den Weg gebracht.
Mit einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung hatte der Landkreis Uelzen auf Weisung des Niedersächsischen Umweltministeriums den Abschuss je eines bestimmten Wolfes aus zwei Rudeln im Landkreis Uelzen genehmigt. Unter anderem der Naturschutzbund Niedersachsen (NABU) hatte dagegen Widerspruch eingelegt und anschließend beim Verwaltungsgericht Lüneburg einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Das Verwaltungsgericht hatte die grundsätzliche Berechtigung zur Antragstellung von Naturschutzvereinen in Frage gestellt. Auf diese ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat der NABU dann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt. Zudem hatte das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes zur Stärkung der Rechtssicherheit beim Abschuss von Wölfen sehr eng auszulegen sei.