Artikel-Informationen
erstellt am:
14.12.2017
zuletzt aktualisiert am:
20.12.2017
Vorbemerkung des Abgeordneten
Tragende Säule der Energiewende ist die Windenergienutzung zu Land und auf See. Laut dem Windmonitor des Frauenhofer Instituts hat Niedersachsen die höchste installierte Nennleistung bei Onshore- Anlagen. „Die nördlichen Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind aufgrund ihrer windhöffigen Standortbedingungen traditionell führend beim Ausbau im Ländervergleich. Im Jahr 2016 wurde in Niedersachsen mit 894 MW erstmals die größte Windleistung bundesweit installiert. Dahinter folgt Schleswig-Holstein mit 631 MW, Nordrhein-Westfalen mit 588 MW und Brandenburg mit 477 MW.“ (Quelle: http://windmonitor.iwes.fraunhofer.de/
windmonitor_de). Ein Ausbau dieser Führungsrolle könnte zukunftssichere Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Niedersachsen generieren. In einem Artikel auf ndr.de vom 26.10.2017 (http://www.ndr.de/nachrichten/dossiers/windkraft/Die-deutschen-Offshore-Windkraftanlagen,offshore680.html) heißt es: „Experten sind sich sicher: Die Zukunft der Stromerzeugung liegt auf dem Meer. Denn die Windverhältnisse rund um die sogenannten Offshore-Windparks sind deutlich besser als an Land. Windenergieanlagen (WEA) können dort fast doppelt so viel Strom erzeugen. Die (…) Ziele der Bundesregierung sehen vor, dass im Jahr 2030 die deutschen Offshore-Windanlagen 15 Gigawatt Strom erzeugen und damit rein rechnerisch die Jahresleistung von rund zwölf Atomkraftwerken ersetzen.“
Seit dem 1. Januar 2017 gelten für Windenergie-Projekte neue Rahmenbedingungen: Um eine Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhalten zu können, müssen sie sich einem Ausschreibungssystem stellen.
1.Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse der Ausschreibungen für Windenergie an Land, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Alle drei Ausschreibungsrunden für Windenergieanlagen an Land im Jahr 2017 waren von einem regen Wettbewerb geprägt und deutlich überzeichnet. Der weit überwiegende Teil der Zuschläge in den beiden ersten Ausschreibungsrunden in 2017 ging an Bürgerwindenergieprojekte, die noch nicht über die zur Realisierung erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung verfügen. Für sie gilt eine erweiterte Realisierungsfrist von maximal 54 Monaten.
Insgesamt wurden von der Bundesnetzagentur (BNetzA) in den 3 Ausschreibungsrunden 198 Zuschläge erteilt, davon gingen 40 nach Niedersachsen. Lediglich 12 der niedersächsischen Projekte verfügen bislang über eine Genehmigung. Keines der Projekte steht unmittelbar vor der Realisierung.
Sonderregelungen für Bürgerenergie, die zur Unterstützung von wünschenswertem bürgerschaftlichem Engagement gedacht waren, wurden somit in einem Ausmaß genutzt, das unerwartete Probleme hervorruft. So ist mit den bisherigen Ausschreibungen, entgegen dem Ziel der Bundesregierung die Akteursvielfalt zu erhalten, vielmehr eine Konzentration der Ausschreibungsmengen auf relativ wenige Akteure erfolgt.
Da Bürgerwindenergieprojekte ohne eine Genehmigung an den Ausschreibungen in 2017 teilnehmen konnten und die erforderlichen Genehmigungsverfahren erst noch durchlaufen müssen, besteht die berechtigte Sorge, dass ein erheblicher Teil dieser Projekte nicht realisiert werden könnte. Bürgerenergieprojekte haben ferner eine um zwei Jahre verlängerte Frist zur Realisierung, was zu einer Delle beim Ausbau der Windenergie insbesondere in den Jahren 2019 und 2020 führen kann. Der Ausbau entsprechend der Ziele des EEG wird dadurch gefährdet. Für die Hersteller- und Zulieferbranche, insbesondere mittelständische Akteure, bedeutet dies signifikante wirtschaftliche Risiken.
Der Bund hat auf eine von Niedersachsen mitgetragene Entschließung des Bundesrates reagiert und zumindest für die ersten beiden Ausschreibungsrunden im Jahr 2018 das Vorliegen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur generellen Teilnahmevoraussetzung für alle Bietenden erklärt. Ferner hat die BNetzA ihre Kompetenz genutzt, den zulässigen Höchstwert für Gebote den veränderten Teilnahmeregeln anzupassen. Dies genügt allerdings nicht, um zu vermeiden, dass es zu einem Auftragsmangel in den Anlagenhersteller- und Zulieferbetrieben und damit schlimmstenfalls zu einem industriepolitischen Fadenriss kommt. Es erscheint daher dringend geboten, durch Sondermengen für die Jahre 2018, 2019 und 2020 in den nächsten Ausschreibungen die drohende Delle abzumildern.
Für die Bürgerenergie braucht es künftig eine zielgenauere Definition, die auf die tatsächlich schutzwürdigen, lokal verankerten Bürgerenergiegesellschaften abstellt. Zudem sollten die Privilegien bei künftigen EEG-Ausschreibungen entweder dauerhaft angepasst oder separate Ausschreibungssegmente für Bürgerenergieprojekte geschaffen werden.
2.Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse der Ausschreibungen für Windenergie auf See, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Die BNetzA hat die erste Ausschreibungsrunde für Windenergieanlagen auf See durchgeführt, die im sogenannten Übergangsmodell (2021-2025) in Betrieb gehen. Teilnahmeberechtigt waren ausschließlich bestehende – d. h. genehmigte bzw. erörterte – Projekte. Es wurden insgesamt 1.490 MW des 1.550 MW umfassenden Ausschreibungsvolumens bezuschlagt. Die erzielten Zuschlagswerte sind über alle Erwartungen hinaus extrem niedrig ausgefallen. Drei von vier der bezuschlagten Projekte sollen somit ohne eine monetäre Förderung nach dem EEG umgesetzt werden – d. h. allein aus den künftigen Stromvermarktungserlösen refinanziert werden. Beachtlich niedrige Zuschlagspreise wurden zuvor auch in Ausschreibungen in den Niederlanden und Dänemark erzielt.
Die Offshore-Windenergie hat ihre Wettbewerbsfähigkeit eindrucksvoll bewiesen und wird national und international eine tragende Rolle in der künftigen Energieversorgung spielen. Sie kann insbesondere bei einer entsprechenden Vernetzung mit anderen Strommärkten erheblich zu einer stabilen Versorgung und damit auch zur Kostenoptimierung im Gesamtsystem beitragen. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende sollten wir daher neben der Windenergienutzung an Land ebenso die großen Potenziale der Windenergie in Nord- und Ostsee nutzen und weiter ausbauen.
Auch wirtschaftspolitisch hat die Windenergie auf See als ein nachhaltiges, industriepolitisches Zukunftsfeld eine enorme Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen und Deutschland erlangt. Die hiesige Anlagentechnologie markiert international den Stand der industriellen Technik. Diese Erfolgsgeschichte ist in jüngerer Zeit einzigartig. Es gilt die Technologieführerschaft Deutschlands in der Offshore-Windenergie auch im Hinblick auf die Arbeitsplatzsicherung und Exportmöglichkeiten zu festigen und auszubauen.
Der im Jahr 2014 eingeführte Deckel von 15 Gigawatt Offshore-Windenergieleistung bis 2030 ist angesichts der jüngsten Ausschreibungsergebnisse nicht mehr zu rechtfertigen und folglich anzuheben. Die ehemals kostenmotivierte Begründung der Deckelung trägt nicht mehr. Die Landesregierung macht sich die Forderungen des Zweiten Cuxhavener Appells zu Eigen und fordert bis 2030 ein erhöhtes Ausbauziel von mindestens 20 Gigawatt in Nord- und Ostsee und mindestens 30 Gigawatt bis 2035.
3.Welche weiteren Hindernisse bzw. Handlungsfelder sieht die Landesregierung?
Zur Umsetzung des weiteren Ausbaus der Windenergie ist selbstverständlich der Netzausbau von wesentlicher Bedeutung. Im Vordergrund stehen hier die Übertragungsnetze. Insbesondere die in Bundeszuständigkeit zu genehmigenden großen HGÜ-Trassen dürften entscheidend zur Bereitstellung ausreichender Übertragungskapazitäten beitragen. Der Übertragungsnetzausbau ist erforderlich, um den norddeutschen Windstrom in die großen auch industriell geprägten Lastzentren in West- und Süddeutschland zu übertragen.
Beim weiteren Ausbau der Windenergie an Land stehen wir kontinuierlich vor der Aufgabe, ausreichende umwelt- und sozialverträgliche Flächen für moderne Windenergieanlagen bereitzustellen. Dies ist elementare Voraussetzung, um das Landesziel von mindestens 20 Gigawatt Windenergie an Land bis 2050 zu erreichen. Die kommunalen Planungsträger sind die zentralen Akteure bei der Suche nach den besten Lösungen vor Ort. Landesseitig werden wir zu beobachten haben, inwieweit Flächenbereitstellung und Ausbau in Richtung der regionalisierten Orientierungswerte des Windenergieerlasses funktionieren oder wir ggf. über das Landes-Raumordnungsprogramm nachsteuern müssen.
Besonderes Augenvermerk braucht auch der Erhalt der bislang hohen Akzeptanz für den weiteren Ausbau der Windenergie. Leider belasten immer wieder Fehlinformationen – bewusst oder unbewusst verbreitet – die Situationen der Bevölkerung vor Ort. Auch dem werden wir uns durch sachliche Aufarbeitung und Information zu den ganz unterschiedlichen Sorgen und Befürchtungen stellen.
Den weiteren Ausbau der Windenergie an Land und auf See nicht nur sozial-, sondern auch umwelt- und naturverträglich zu gestalten, bleibt eine fortwährende Herausforderung. Mit dem Windenergieerlass und dem Niedersächsischen Leitfaden zum Artenschutz unterstützen wir dies. Neue Erkenntnisse werden wir im Rahmen der Aktualisierung des Leitfadens breit diskutieren. Bei den Offshore-Netzanbindungen nach Niedersachsen müssen wir darauf achten, dass die Eingriffe in das Weltnaturerbe Wattenmeer möglichst gering ausfallen.
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erstellt am:
14.12.2017
zuletzt aktualisiert am:
20.12.2017