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Lies zu Enercon-Krise: „Bund muss endlich seine Hausaufgaben machen!“

- Energieminister schlägt Sechs-Punkte-Sofortplan vor -


Pressemitteilung Nr. 142/2019

Im Streit um die Krise bei der Windenergie reagiert Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies empört auf die Schuldzuweisungen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier an die Adresse von Bundesumweltministerin Svenja Schulze. „Damit muss Schluss sein. Dieses Spiel in Berlin ist überhaupt nicht mehr nachvollziehbar!“, erklärte Lies am (heutigen) Dienstag in Hannover. Angesichts der tiefen Krise beim Windanlagen-Hersteller Enercon in Aurich und Magdeburg mit dem drohenden Abbau von bis zu 3000 Arbeitsplätzen sei es „einfach unerträglich, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben. Es geht in erster Linie darum, den tausenden Kolleginnen und Kollegen zu helfen, die gerade in großer Sorge um ihre wirtschaftliche Existenz sind“.


Minister Altmaier hatte ein „überzogenes Arten- und Naturschutzdenken“ im Bundesumweltministerium beklagt, das den zügigen Ausbau der Windkraft in Deutschland an Land verhindere. Altmaiers Ministerium sprach von „Blockaden“, die der Energiewende schaden würden. Lies machte hingegen deutlich, dass Ursachsen der Krise der Windenergiebranche vielfältig seien. „Gerade die Flugsicherung unter dem Verkehrsminister Scheuer verhindert aktuell den zügigen Ausbau von zusätzlichen 5GW Windleistung. Seit Monaten fordere ich Lösungen für mehr Akzeptanz in den Kommunen wie die direkte Beteiligung an den Erlösen“, so Lies.

Der Minister fordert deshalb die Bundesregierung auf, endlich die Hausaufgaben zu machen. So hatte Bundesminister Altmaier beim Windenergie-Gipfel im September in Berlin ein ganzes Bündel von Maßnahmen angekündigt, um den Ausbau der Windkraft zu beschleunigen. „Ich erwarte jetzt die Vorlage eines Maßnahmen-Paketes für zügigere Planungs-, Genehmigungs- und Beteiligungsverfahren, das schnellstmöglich umgesetzt wird“, verlangt Niedersachsens Energieminister.


Zur Rettung der Arbeitsplätze bei Enercon schlägt Lies einen Sofortplan „Rückenwind für Onshore-Wind“ vor. Seine Analyse: „Mindestens 3.000 Energiewende-Arbeitsplätze drohen wegzufallen. Spätestens jetzt muss allen klar sein, dass die Windenergiebranche in einer existentiellen Krise steckt. Diese Krise ist auch durch Fehler der Vergangenheit wie z.B. bei Ausschreibungen oder mangelnden Maßnahmen zur Akzeptanzsteigerung verursacht worden. Hinzu kommt derzeit eine viel zu zögerliche Strategie des Bundesenergieministeriums, endlich den „Turnaround“ beim Ausbau von Windkraft, insbesondere an Land, herbeizuführen. Abgesehen davon, dass damit die wirtschaftliche Existenz vieler hart arbeitender Menschen gefährdet wird, ist es volkswirtschaftlich und energiepolitisch absolut fahrlässig, in einer der zukunftsträchtigsten Branchen überhaupt wertvolle Kapazitäten und Know-how zu verlieren.

Klar ist bereits jetzt: Ohne einen massiven Zubau von Onshore-Windkraft wird Deutschland auch die Klimaziele für 2030 reißen! Wohin das industriepolitisch führt, haben wir bei der Photovoltaik erlebt. Dieser Fehler darf uns nicht noch einmal passieren, weswegen ich mich für einen Sofortplan einsetze, der der heimischen Onshore-Industrie den jetzt dringend notwendigen Rückenwind gibt. Kernanliegen ist dabei die Umsetzung möglichst schnell wirksamer Maßnahmen für den Ausbau der Windkraft an Land, damit die Produktion zeitnah wieder anlaufen kann. Außerdem müssen wir einen Übergang für die Beschäftigten schaffen, um diese qualifizierten Fachkräfte kurzfristig zu unterstützen und zu halten.

Das Erreichen der Klimaziele bedingt einen jährlichen Zubau von Onshore-Windkraft in Höhe von 5GW Leistung. Wir brauchen hierfür endlich einen ausreichenden Rahmen, der gleichzeitig der heimischen Windenergiebranche einen verlässlichen Absatzmarkt bietet. Ansonsten würde die Produktion absehbar wieder nur im Ausland, insbesondere in Übersee, stattfinden. Dafür müssen wir als Landesregierung mit Gewerkschaften und Enercon/Industrie zügig an die Umsetzung der folgenden Punkte gehen:

1. Ein erster konkreter Punkt ist die Forderung an die Bundesregierung, die Einschränkungen durch die zivile Flugsicherung schnellstens auf den Prüfstand zu stellen und im Sinne des Klimaschutzes zu entscheiden. Es kann nicht sein, dass knapp 5 GW an Windenergieprojekten durch teils übertriebene Vorgaben verhindert werden, wie bspw. Grenzabstände von 15 Kilometern statt der international üblichen zehn Kilometer um so genannte Drehfunkfeuer. Die Flugsicherheit hat selbstverständlich Vorrang, aber es passt schlicht nicht mehr in unsere Zeit, die Energiewende mit willkürlichen Regeln ohne Nutzen zu behindern. Hier sind bei den Verantwortlichen Problembewusstsein und Augenmaß gefragt. Eine kurzfristige Lösung aus dem Bundesverkehrsministerium wäre notwendig.

2. Die Nachricht vom Freitag macht deutlich, dass wir den Beschäftigten in der Branche helfen müssen. Eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes über den grundsätzlich vorgesehenen Zeitraum von zwölf Monaten hinaus ist sinnvoll und notwendig, um Beschäftigung zu halten und mit den in der Branche beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemeinsam den Turnaround zu schaffen.

3. Dort, wo es notwendig ist, muss überlegt werden, ob der Staat mit Bürgschaften den produzierenden Unternehmen unter die Arme greift. So kann die Produktion von Standardkomponenten wie Rotorblätter auch künftig mit Blick auf kurzfristig zu realisierende Projekte erfolgen, ohne dass ein absoluter Produktionsstopp droht.

4. Unsere Industrie muss wieder stärker wettbewerbsfähig im internationalen Vergleich werden. Sonderprogramme für Innovationen, z.B. für die Produktionsoptimierung sollen für Zukunftsfähigkeit der Windenergiebranche sorgen. Hier ist ganz entscheidend der Bund gefragt, sehr schnell solche Förderprogramme auf den Weg zu bringen. Gerade die Produktion von Rotorblättern wird nur mit weiteren Maßnahmen der Automatisierung wettbewerbsfähig sein.

5. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Nur wenn die Einspeisevergütung auf dem derzeitigen Niveau von 6,2, Cent /kWh über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren festgeschrieben bleibt, kann die Industrie seriös kalkulieren!

6. Das A und O neben den politischen Rahmenbedingungen und der Marktfähigkeit der Branche in Deutschland ist die Akzeptanz für den Ausbau von Windenergie. Dies beginnt mit der Frage nach einem Mindestabstand, der von der Bundesregierung mit 1000 Metern zur Wohnbebauung deutlich zu groß bemessen ist, über tagtägliche Konflikte zwischen Fragen des Arten- und Naturschutzes einerseits und dem Ausbau der Windenergie als elementarer Baustein zur Erreichung der Klimaziele und geht bis hin zu zukunftsorientierten Modellen, wie man Kommunen stärker an den Erlösen aus der Windkraft beteiligt. Hierüber müssen Bund, Länder und Kommunen schnell Klarheit haben und eine einheitliche Linie fahren!


Artikel-Informationen

erstellt am:
12.11.2019

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