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erstellt am:
15.06.2017
Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Jörg Bode, Horst Kortlang, Jan-Christoph Oetjen, Dr. Marco Genthe und Christian Grascha (FDP) geantwortet.
Vorbemerkung der Abgeordneten
Presseberichten zufolge klagen Entsorgungsunternehmen über massive Schwierigkeiten bei der Entsorgung alter Windräder. Nach Angaben der Branche sei es derzeit kaum möglich, die mit Harz verklebten Fasern wieder zu trennen. Zudem nähmen die Betreiber von Verbrennungsanlagen die Stoffe wegen der Belastung der Filter nur ungern und in kleinen Mengen an. Das Unternehmen Remondis rechnet 2017 mit bundesweit mehr als 9000 Tonnen Recyclingmaterial aus Rotorblättern und einem Anstieg auf rund 16 000 Tonnen jährlich bis 2021.
Vorbemerkung der Landesregierung
Windenergieanlagen (Windräder) bestehen aus mehreren Bauelementen (Rotor mit Nabe; Rotorblätter; Maschinengondel, die den Generator und häufig ein Getriebe beherbergt; Turm; Fundament), die aufgrund der begrenzten technischen Lebensdauer oder aufgrund der technischen Weiterentwicklung (Repowering) in gewissen zeitlichen Abständen erneuert werden. Wenn diese Bauelemente nicht an anderen Standorten wiederverwendet werden können (siehe Antwort auf die Frage 3), sind diese auf der Grundlage der Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes als Abfall zu entsorgen.
Die Türme bestehen überwiegend aus Stahlbeton oder Stahl und lassen sich somit problemlos und vollständig recyceln. Dieses gilt auch für die Metalle, die für die Herstellung der Maschinengondel, des Generators, des Getriebes und die Befestigung der einzelnen Bauelemente verwendet worden sind. Das Gehäuse der Maschinengondel und die Rotorblätter von Windkraftanlagen, die zurzeit erneuert und einer Entsorgung zugeführt werden, bestehen in der Regel aus glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK).
Für GFK-Abfälle (Rotorblätter von Windkraftanlagen, GFK-Produktionsrückstände aus der Automobil-, Freizeit- und Elektroindustrie sowie Boote und Flugzeuge), bietet die Firma Neocomp GmbH die Aufbereitung zu Ersatzbrennstoffen (EBS) an, die als Substitut in der Zementindustrie eingesetzt werden und sowohl Energie als auch Primärrohstoffe (SiO2) ersetzen. Die Anlage dieser Firma in Bremen kann jährlich 30.000 Mg GFK-Abfälle verarbeiten.
Über dieses Verfahren ist in den Medien und in der Fachpresse berichtet worden (siehe z. B. http://www.radiobremen.de/fernsehen/buten_un_binnen/video92704-popup.html). Am 12.05.2017 ist die Firma für dieses Aufbereitungsverfahren mit dem Greentec Award 2017 bei der nach Angaben der Veranstalter weltweit größten Umwelt- und Wirtschaftspreisverleihung in der Kategorie „Recycling & Ressourcen“ ausgezeichnet worden.
Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass wenige Tage später in Medienberichten in Anbetracht der von der Firma Remondis genannten Zahlen von 9.000 Mg im Jahr 2017 und 16.000 Mg im Jahr 2021 für Recyclingmaterial aus der Entsorgung von Rotorblättern davon gesprochen wird, dass „wir auf ein Riesenproblem zulaufen“ (siehe Frankfurter Rundschau vom 30.05.2017).
1. Wie hoch ist durchschnittlich der nicht zu recycelnde Anteil eines Windrads?
Die in der Vorbemerkung genannten Bestandteile von Windenergieanlagen können nahezu vollständig verwertet werden. Dieses gilt auch für die Rotorblätter von Windenergieanlagen aus GFK, wenn diese nach einer entsprechenden Aufbereitung zur Substitution von Energie- und Rohstoffträgern für die Herstellung von Zement eingesetzt werden.
2. Gibt es aktuell und für die nahe Zukunft genug Verbrennungsanlagen für die nicht zu trennenden Teile, und, wenn nein, wie soll dieses Problem gelöst werden?
Die aus GFK-Rotorblättern hergestellten Ersatzbrennstoffe können zurzeit vollständig verwertet werden (siehe Vorbemerkung). Es ist davon auszugehen, dass der Markt bei einem Anstieg der Mengen reagiert und ggf. weitere Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden.
Noch nicht gelöst ist die Entsorgung der neuen Generation von Rotorblättern von Windenergieanlagen aus kohlefaserverstärkten Kunststoffen (CFK). Hierzu hat die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) mit Unterstützung des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die u. a. geeignete Entsorgungsmöglichkeiten für diese Abfälle identifizieren soll. Die Arbeit dieser Arbeitsgruppe ist noch nicht abgeschlossen.
3. Was kostet die Entsorgung eines Windrads, und wer muss diese bezahlen?
Betreiber von Windenergieanlagen sind baurechtlich verpflichtet, die Anlagen nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Die Entscheidung, ob Anlagen oder Anlagenkomponenten verkauft und somit weitergenutzt werden oder einer Entsorgung zugeführt werden, ist eine betriebswirtschaftliche Entscheidung des Betreibers. Bislang werden gerade qualitativ hochwertige Anlagen vielfach auf dem internationalen Zweitmarkt veräußert. Ist dies nicht möglich, werden zumindest werthaltige Bauteile verkauft und die übrigen Anlagenbestandteile materialspezifisch der Verwertung zugeführt. Ein Großteil der Materialien - wie Kupfer aus den Kabeln, Stahl aus den Türmen sowie Beton aus den Fundamenten und teilweise aus den unteren Turmsegmenten - kann recycelt werden. Von den Hauptbestandteilen verbleiben in der Regel lediglich die Rotorblätter zur Entsorgung. Die Rotorblätter, die zurzeit überwiegend aus GFK bestehen, können in geeigneten Anlagen entsorgt werden (siehe Vorbemerkung). Die Kosten für die Entsorgung der Rotorblätter liegen nach hier vorliegenden Angaben in einer Bandbreite von 200 bis 500 €/Mg.
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erstellt am:
15.06.2017