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„Abfallpolitik“

Antwort von Umweltminister Hans-Heinrich Sander zur Dringlichen Anfrage Tagesordnungspunkt 17 zum Thema „Abfallpolitik“ Drucksachen 15/2644


(Es gilt das gesprochene Wort)

Anrede!

Ob man es nun "Müllnotstand" nennt oder nicht: Tatsache ist, dass es in Niedersachsen erhebliche Kapazitätsengpässe bei der Abfallentsorgung gibt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Bestandsaufnahme meines Ministeriums. Ursache ist die Abfallablagerungsverordnung des Bundes, wonach seit 1. Juni 2005 Siedlungsabfälle nicht mehr ohne Behandlung auf Deponien abgelagert werden dürfen. Die Landkreise und Städte hatten sich zwischen den Entsorgungswegen "Müllverbrennung" und "mechanisch-biologische Abfallbehandlung" zu entscheiden.

Die Müllverbrennungsanlagen laufen mit nahezu hundert Prozent Auslastung. Insgesamt fehlen aber Verbrennungskapazitäten. Dies gilt besonders für die Gewerbeabfallentsorgung. Hier haben sich die Abfallbesitzer und die privaten Entsorgungsunternehmen offensichtlich keine ausreichenden Verbrennungskapazitäten zum 1. Juni 2005 gesichert.

Neue Verbrennungskapazitäten stehen aber nach den Prognosen nicht vor 2008 zur Verfügung.

Bei den Mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen, kurz MBA, haben auch acht Monate nach dem 1. Juni 2005 vier der zehn Anlagen in Niedersachsen noch nicht den geplanten Durchsatz erreicht. Aus all den von mir genannten Gründen mussten an zehn Standorten Zwischenlager eingerichtet werden. In Niedersachsen wird mittlerweile 170.000 Tonnen zum Teil sortierter Restabfall zwischengelagert.

Die Zwischenlagerung von Abfall ist mit Risiken und Problemen verbunden. Ich nenne hier besonders die Brandgefahr, aber auch die Geruchs- und die Ungezieferproblematik. In Niedersachsen hat es bereits Brände erheblichen Ausmaßes in den Zwischenlagern Deiderode, Wilsum und Sachsenhagen gegeben. Beim Brand des Lagers in Wilsum (Landkreis Grafschaft Bentheim) wurde vom massiven Auftreten von Küchenschaben berichtet.

Hinzu kommt, dass die spätere Entsorgung der zwischengelagerten Abfälle angesichts der Kapazitätsengpässe nicht mehr ohne weiteres sichergestellt ist. Dabei ist auch ein Problem, dass sich der Abfall bei längerer Lagerung durch Umsetzungsprozesse für die weitere Entsorgung nachteilig verändert.

Zwischenlager sind keine zufrieden stellende Lösung für das derzeitige Abfallproblem. Brände, Geruch und Ungeziefer können nicht gewollt sein. Diese Probleme lassen sich in den Zwischenlagern schlechter beherrschen als auf Deponien.

Nach Gesetzeslage müssen die Abfälle nach spätestens einem Jahr aus den Zwischenlagern herausgeholt und anschließend beseitigt werden. Nur bei einer nachgewiesenen späteren Verwertung als Ersatzbrennstoff in einem Kraftwerk oder in einer Industrieanlage dürfen längere Lagerzeiten genehmigt werden. Nach den vorliegenden Prognosen sind erhebliche zusätzliche Kapazitäten am Entsorgungsmarkt aber vermutlich nicht vor 2008 zu erwarten. Ein Jahr Lagerzeit reicht somit nicht aus. Welche Lösungen gibt es also?

Anrede!

Ich will nicht länger zulassen, dass immer mehr Zwischenlager mit all ihren Nachteilen und letztlich ungewissen Entsorgungsperspektiven eingerichtet werden. Schließlich ist die ausnahmsweise, aber zurzeit eben vollständig verbotene Ablagerung dieser Abfälle auf den bestehenden Deponien sachlich besser geeignet, um die Engpässe zu überbrücken.

Es bleibt selbstverständlich unser oberstes Ziel, nach Ablauf der Übergangszeit den Abfall vollständig so zu behandeln, dass die Reste reaktionsarm abgelagert und künftigen Generationen keine Altlasten hinterlassen werden.

Nun zu Ihren Fragen im Einzelnen:

Zu Frage 1:

Die Engpässe bei der Gewerbeabfallentsorgung bestehen bundesweit. Auch sind bundesweit Verzögerungen bei der Inbetriebnahme von Abfallbehandlungsanlagen eingetreten. Große Zwischenlager für Siedlungsabfall, der derzeit nicht entsorgt werden kann, sind ebenfalls aus vielen Bundesländern bekannt. Dasselbe gilt für das Auftreten von Bränden in diesen Abfalllagern.

Die Probleme bei der Inbetriebnahme von mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen wirken sich in der Gesamtbilanz des Landes Niedersachsen stärker aus als in anderen Bundesländern - ganz einfach, weil hier der Anteil dieser Anlagen an der Gesamtbehandlungskapazität vergleichsweise hoch ist.

Diese Situation wurde zusätzlich durch die Insolvenzen von MBA-Herstellern wie der Firma Herhoff Umweltdienste und der Firma Farmatic verschärft. Hinzu kommt noch der aktuelle Schadensfall in der MBA Südniedersachsen, durch den der biologische Teil dieser Anlage zum größten Teil zerstört wurde.

Zu Frage 2:

Da die Landkreise und Städte als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Abfallentsorgung im eigenen Wirkungskreis durchführen, mussten sie eigenverantwortlich die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Termin 1. Juni 2005 eingehalten wird. Aufgrund der erheblichen Bedeutung für die Entsorgung von Siedlungsabfällen hat mein Ministerium immer wieder auf die rechtliche Situation und das Erfordernis hingewiesen, geeignete Entsorgungswege frühzeitig zu sichern. Diese Bemühungen wurden mit Veröffentlichung der Abfallablagerungsverordnung am 1. Februar 2001 verstärkt und im Jahr 2002 nochmals erheblich intensiviert.

Nahezu vierteljährlich wurden die Bezirksregierungen aufgefordert, über den Stand der Umsetzung der Abfallablagerungsverordnung zu berichten und auf eine zügige Umsetzung im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht hinzuwirken. Mehrfach wurden der Stand der Vorbereitungen und mögliche Probleme direkt mit einzelnen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern erörtert.

Das Umweltministerium hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass

1. bei den Betreibern der mechanisch-biologischen Behandlungsanlagen erheblicher Handlungsbedarf für die Entsorgung des heizwertreichen Teilstromes besteht und es dringend erforderlich ist, dass für diesen Abfallteilstrom rechtzeitig die Entsorgungssicherheit hergestellt wird;

2. sich die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, die ihre Abfälle in mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen entsorgen, im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht von der Leistungsfähigkeit des Anlagenbetreibers zu überzeugen haben und dieses auch durch eine entsprechende Vertragsgestaltung absichern sollen;

3. sich die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht – und dieses gilt auch für die Abfallverbrennungsanlagen – darauf zu achten haben, dass die Betreiber der Anlagen einem Ausfallverbund angehören, der bei Anlagenrevision oder Betriebsstörungen eintritt und die zu behandelnden Abfallmengen übernimmt.

Für den absoluten Notfall wurden seitens des Umweltministeriums einheitliche Anforderungen an die Zwischenlagerung von behandlungsbedürftigem Abfall erarbeitet und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern rechtzeitig zur Verfügung gestellt.

Hinsichtlich der Zwischenlagerung von behandlungsbedürftigen Abfällen wurde auch darauf hingewiesen, dass eine Umgehung der Abfallablagerungsverordnung über eine Zwischenlagerung des Abfalls nicht akzeptiert wird.

Zu Frage 3

Die Landesregierung steht uneingeschränkt zu dem eingeschlagenen Weg, so bald wie möglich die vollständige Behandlung von Hausmüll und nicht verwertbaren Bestandteilen des Gewerbeabfalls in geeigneten Abfallbehandlungsanlagen zu erreichen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
23.02.2006
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010

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