Brennelementfertigungsanlage Lingen
Die Fertigung von Brennelementen bei der Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) in Lingen ist Teil des Kernbrennstoffkreislaufs, der sich um die Erzeugung von Strom in Kernkraftwerken dreht. Dabei wird bei der ANF Uran mit einer maximalen Anreicherung von 5 Massenprozent Uran-235, das in Anreicherungsanlagen aus natürlichem Uran (Uran-235-Gehalt ca. 0,72 %) hergestellt wird, verwendet. Mischoxidbrennelemente, die aus wiederaufbereitetem Brennstoff – unter anderem Plutonium – bestehen, werden bei der ANF nicht gefertigt.
Die Advanced Nuclear Fuels GmbH
Die ANF fertigt der Brennelementfertigungsanlage (BFL) am Standort Lingen Brennelemente für Druckwasser- (DWR) und Siedewasser- (SWR)Reaktoren. Neben dem Standort in Lingen, in dem die nukleare Fertigung untergebracht ist, gibt es zwei weitere Fertigungsstätten. Am Standort Karlstein befindet sich die Komponentenfertigung, in der z.B. Abstandhalter oder Kopf- und Fußstücke hergestellt werden. In Duisburg werden Hüllrohre für die Brennstäbe produziert. Der Vertrieb, die Auslegung und die Konstruktion von Brennelementen befinden sich in Erlangen bei der Muttergesellschaft Framatome GmbH .
Am Standort Lingen befindet sich neben der nuklearen noch eine nichtnukleare Fertigung, in der die einzelnen Komponenten zu den sogenannten Skeletten zusammengefügt werden.
Die nukleare Fertigung, die als Anlage nach § 7 Atomgesetz (AtG) genehmigt ist, besteht aus der Trockenkonversion, in der Uranhexafluorid zu Uranoxidpulver konvertiert wird, sowie dem nuklearen Fertigungsgebäude, in dem über mehrere Schritte aus dem Uranoxidpulver fertige Brennelemente hergestellt werden. Darüber hinaus gibt es im nuklearen Fertigungsgebäude Lagerbereiche für radioaktive Reststoffe und Zwischenprodukte sowie ein Unterflur-Brennelementlager, in dem die fertigen Brennelemente bis zum Abtransport zum Kunden aufbewahrt werden. Der Rohstoff Uranhexafluorid wird in speziellen Behältern in einer separaten Lagerhalle aufbewahrt. Außerdem gibt es ein Abfalllager, in dem radioaktive Abfälle, die nach deren Konditionierung zur Endlagerung vorgesehen sind, aufbewahrt werden.
Die Fertigungskapazität der Anlage ist durch die atomrechtliche Genehmigung für die Trockenkonversion auf einen Durchsatz von 800 Tonnen Uran/Jahr, für die restlichen Teilanlagen auf 650 Tonnen Uran/Jahr begrenzt.
Im Laufe der Jahre hat es einige Meilensteine auf dem Weg von der Gründung des Betriebes "EXXON NUCLEAR" im Jahr 1975 bis zur heutigen ANF GmbH als Tochtergesellschaft der Framatome GmbH gegeben. Nach der Gründung wurde die Brennelementfertigungsanlage 1979 in Betrieb genommen. Die Produktion beschränkte sich damals auf die Herstellung von Brennelementen aus auswärts gefertigten Tabletten. 1988 folgte die Erweiterung der Produktion auf die Herstellung von Tabletten aus angeliefertem Urandioxidpulver. Vervollständigt wurde die Fertigung dann 1994 mit der Inbetriebnahme der Trockenkonversion.
Bereits 1987 wurde aus EXXON NUCLEAR die ADVANCED NUCLEAR FUELS GmbH als Tochterunternehmen von Siemens. Der Zusammenschluss mit der Komponentenfertigung in Karlstein und der Hüllrohrfertigung in Duisburg erfolgte 1995. 2001 wurde aus der 100%-igen Siemenstochter dann ein Tochterunternehmen der Framatome ANP, später zunächst in AREVA NP und nachfolgend in FRAMATOME umbenannt.
Fertigung von Brennelementen:
Als Ausgangsprodukt wird Uranhexafluorid mit der gewünschten Anreicherung in sog. 30-B-Behältern in die Anlage transportiert. Der erste Fertigungsschritt, der in der Trockenkonversion erfolgt, besteht aus dem Aufheizen dieser Behälter zur Entnahme des gasförmigen Uranhexafluorids. Unter Zugabe von definierten Prozessgasen wird Uranhexafluorid in einem zweiphasigen Prozess zu Uranoxidpulver konvertiert. Dieser Prozess erfolgt "trocken", d.h. ohne die Entstehung von Abwässern, wie sie im nasschemischen Verfahren entstehen würden.
In einem zweiten chemischen Verfahrensschritt wird der Restfluorgehalt des Pulvers ebenfalls unter Verwendung von definierten Prozessgasmengen in einem Drehrohrofen reduziert, man spricht von der Kalzinierung. Anschließend wird das Pulver mechanisch aufgearbeitet, um die für die weitere Verwendung erforderliche Dichte und Korngröße zu erhalten.
In den Tablettenpressen wird das Uranoxidpulver zu Grünlingen verpresst, die ihren Namen von der Färbung der Tablettenrohlinge haben. Beim anschließenden Sintervorgang wird unter Einfluss von Temperatur und Zeit eine deutliche Erhöhung der Dichte und Festigkeit der Tabletten erreicht. Die gesintertenTabletten werden anschließend auf das erforderliche Maß geschliffen.
Die fertigen Tabletten werden mit den Brennstablademaschinen in die bereits einseitig verschweißten Hüllrohre geladen. Anschließend wird der zweite Endstopfen mit einem speziellen Schweißverfahren aufgeschweißt. Der fertige Brennstab durchläuft wie auch schon die Zwischenprodukte eine Anreicherungs- und Qualitätsprüfung. In der sogenannten Brennelementassemblierung werden dann alle für ein Brennelement notwendigen Brennstäbe mit zum Teil unterschiedlichen Anreicherungen nacheinander in quadratische Abstandshalter eingeschoben.
Das fertige Brennelement wird gereinigt und der abschließenden Qualitätskontrolle unterzogen, bevor es bis zum Transport zu einem der von der ANF belieferten Kernkraftwerksstandorte im Brennelementlager aufbewahrt wird.
Sicherheit und Umweltschutz
Neben der Genehmigung als Anlage nach § 7 Atomgesetz ist die Konversionsanlage auch genehmigungspflichtig nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Die Abluft aus allen Prozessschritten wird über Filteranlagen geführt, die eine Einhaltung der Emissionsgrenzwerte sowohl aus strahlenschutzrechtlicher als auch aus immissionsschutzrechtlicher Sicht sicherstellen. Der mit Fluorwasserstoff beladene Kalkstein der Kalksteinfilter in der Abluftreinigung wird als Flussspat für die Stahlerzeugung verkauft. Auch die Flusssäure, die beim Konversionsprozess entsteht, kann als Nebenprodukt weiterverkauft werden und erfüllt damit ebenso wie der Flussspat die hohen Qualitätsansprüche der abnehmenden Industrie.
Neben der Überwachung der Abluftströme werden auch Abwasser und Regenwasser regelmäßig auf radiologische und chemische Belastung überprüft.
Neben Strahlenschutzmessungen auf dem Grundstück finden im Rahmen der Störfallvorsorge umfangreiche Umgebungsmessungen statt.
Innerhalb der nuklearen Fertigung gibt es eine flächendeckende Überwachung der Raumluft und der einzelnen Arbeitsplätze, die eine Beurteilung der Strahlenbelastung der einzelnen Mitarbeiter ermöglicht. Die Strahlenbelastung der Mitarbeiter der gesamten Fertigung liegt deutlich unterhalb der Grenzen der beruflichen Strahlenexposition. Auch die Kontaminationskontrollen der einzelnen Arbeitsplätze sowie an den Grenzen der Strahlenschutzbereiche verhindern eine Verschleppung von Kontaminationen innerhalb der Anlage und aus Strahlenschutzbereichen heraus. Das Kontaminationsniveau in der gesamten Anlage wird schon aus Gründen der Produktqualität deutlich unterhalb der Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung gehalten.
Der wesentliche Aspekt bei der Betriebssicherheit ist die Kritikalitätssicherheit. Um Kritikalitätsereignisse sicher ausschließen zu können, wird auf die gesamte Anlage das Prinzip des doppelten Störfalls konsequent angewendet. Das bedeutet, dass mindestens zwei voneinander unabhängige, gleichzeitig wirkende, im bestimmungsgemäßen Betrieb nicht zu erwartende Ereignisse eintreten müssen, bevor Kritikalität erreicht werden kann.
Ein weiterer Sicherheitsgewinn wird durch die redundante (mehrfache) Auslegung wichtiger Systeme wie z.B. der Brandmeldeanlage erreicht. Alle sicherheitstechnisch relevanten Anlagenteile unterliegen darüber hinaus der regelmäßigen Überprüfung durch einen von der atomrechtlichen Aufsichts- und Genehmigungsbehörde beauftragten Sachverständigen.
Das Betriebshandbuch der Anlage beinhaltet alle für den sicheren Betrieb erforderlichen technischen und organisatorischen Regelungen wie z.B. Anlagebetriebsvorschriften, Umfang der wiederkehrenden Prüfungen und Anweisungen zur Kritikalitätssicherheit und zum Strahlenschutz, aber auch Verantwortungsbereiche und Organisationsstruktur innerhalb des Betriebes.
Advanced Nuclear Fuels in Lingen