FFH-Richtlinie und gemeldete Gebiete
Natura 2000
Natura 2000 ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union, das sich aus den FFH-Gebieten und den EU-Vogelschutzgebieten zusammensetzt.
FFH- Gebiete
Die FFH-Richtlinie wurde 1992 vom Rat der EG erlassen. Das Kürzel "FFH" steht für Fauna = Tierwelt, Flora = Pflanzenwelt und Habitat = Lebensraum bestimmter Pflanzen- und Tierarten. Die Richtlinie verfolgt das Ziel, die biologische Vielfalt in Europa zu erhalten. Dies soll durch den Aufbau eines europaweit vernetzten Schutzgebietssystems mit der Bezeichnung Natura 2000 geschehen, um natürliche und naturnahe Lebensräume sowie bestandsgefährdete wildlebende Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu entwickeln.
Da die Richtlinie zugleich einen Beitrag für nachhaltige Entwicklung erbringen soll, sind bei allen Maßnahmen zur Umsetzung ihrer Ziele zugleich auch wirtschaftliche, soziale, kulturelle und regionale Anforderungen zu berücksichtigen.
In das Gebietsnetz Natura 2000 werden auch diejenigen Gebiete einbezogen, die nach der EG-Vogelschutzrichtlinie geschützt sind.
Die FFH-Richtlinie enthält Regelungen zur
• Auswahl von FFH-Gebietsvorschlägen
• Meldung von Gebietsvorschlägen an die Europäische Kommission
• Sicherung des europaweit bedeutsamen Zustands der gemeldeten FFH-Gebiete
• Verträglichkeitsprüfung und deren Rechtsfolgen bei Plänen und Projekten, die Natura 2000-Gebiete erheblich beeinträchtigen könnten
• Nutzung wildlebender Tiere und Pflanzen sowie über deren Entnahme aus der Natur
• Untersagung bestimmter Methoden / Mittel zum Fangen, Töten und Befördern bestimmter Tierarten
Die Schutzgebiete von "Natura 2000" sollen ein "kohärentes ökologisches Netz" bilden. Was bedeutet das?
Die Gebiete müssen hinsichtlich ihrer Größe und Verteilung geeignet sein, die Erhaltung der Lebensraumtypen und Arten in ihrem gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet zu gewährleisten. Dazu ist anzustreben, dass die Lebensräume, die von Natur aus großflächig und zusammen-hängend ausgeprägt sind bzw. waren, auch in möglichst großen und miteinander verbundenen Komplexen geschützt werden. Dies betrifft besonders Wälder sowie Bäche und Flüsse. Andere Lebensräume wie z.B. Moore, Seen oder Felsen sollen in größere Biotopkomplexe eingebunden werden, da viele Arten verschiedene Lebensräume in räumlicher Nähe benötigen (manche Fledermausarten nutzen z.B. Höhlen als Winterquartier und Wälder als Jagdrevier).
Der Begriff der "Kohärenz" ist als funktionaler Zusammenhang zu verstehen. Die Gebiete müssen nicht in jedem Fall flächig miteinander verbunden sein.
In welchem Verhältnis steht die FFH-Richtlinie zur EG-Vogelschutzrichtlinie?
Schon 1979 (neu gefasst 2009) hat die EG die Vogelschutzrichtlinie erlassen, die in ihrer Zielsetzung der FFH-Richtlinie ähnelt, aber nur für den Schutz von Vogelarten gilt. Die FFH-Richtlinie greift auf die EG-Vogelschutzrichtlinie zurück, indem sie bestimmt, dass die vom Mitgliedstaat gemeldeten und von der EG anerkannten FFH-Gebiete und EG-Vogelschutzgebiete gemeinsam die Gebietskulisse des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 bilden. Die FFH-Richtlinie klammert die Vogelarten als Auswahlkriterien für FFH-Gebiete aus und überlässt die Bestimmung der Vogelschutzgebiete der speziell darauf ausgerichteten EG-Vogelschutzrichtlinie. Die Vorschriften der FFH-Richtlinie über die Verträglichkeitsprüfung gelten hingegen auch für EG-Vogelschutzgebiete.
Wie sollen die Ziele der FFH-Richtlinie umgesetzt werden?
Hierbei unterscheidet man zwischen der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht auf der einen und der Auswahl sowie der Sicherung der Gebiete auf der anderen Seite.
a) Umsetzung in nationales Recht
Die rechtlichen Regelungen finden sich in den §§ 31 ff. des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BNatSchG) und im Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz vom 19. Februar 2010 (NAGBNatSchG), jeweils in der aktuell gültigen Fassung.
b) Auswahl der Gebiete
Auf der Grundlage der von den EG-Mitgliedstaaten eingebrachten nationalen FFH-Gebietsvorschläge erstellt die Europäische Kommission für jede der fünf biogeographischen Regionen (atlantisch, kontinental, alpin, mediteran, makaronesisch) eine Liste der "Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung", die als FFH-Gebiete in das ökologische Schutzgebietsnetz Natura 2000 einfließen.
Die Zuständigkeit für die Auswahl der zu meldenden FFH-Gebietsvorschläge liegt in Deutschland bei den Ländern. Das Land Niedersachsen liegt überwiegend in der atlantischen zu Teilen aber auch in der kontinentalen biogeographischen Region. Zur Umsetzung ihrer europarechtlichen Verpflichtungen hat die Landesregierung 1997, 1999, 2004 und 2006 eine Liste von insgesamt 385 Gebietsvorschlägen beschlossen. Die ausgewählten FFH-Gebietsvorschläge umfassen ins-gesamt rd. 610.000 ha = ca. 11,4 % der Landesfläche Niedersachsens (incl. der marinen Bereiche, d.h. der 12-Seemeilen-Zone).
Der Gebietsauswahl gingen umfangreiche Beteiligungsverfahren auf regionaler und auf Landes-ebene voraus, in die betroffene Behörden, Kommunen und Interessenverbände eingebunden waren.
c) Sicherung der ausgewählten FFH-Gebiete
Die europäischen Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ihre FFH-Gebiete innerhalb von sechs Jahren nach Aufnahme der Gebietsvorschläge durch die EU-Kommission in die Europäische Liste der „Gebiete von Gemeinschaftlicher Bedeutung so zu sichern, dass ein günstiger Erhaltungszustand gewahrt bzw. wiederhergestellt werden kann. Da diese Frist in Deutschland nicht eingehalten worden ist, wird z.Zt. mit verstärkter Kraft an der Umsetzung dieser Vorgabe gearbeitet.
Parallel dazu ist für bestimmte Pläne und Projekte im Bundesnaturschutzgesetz die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung vorgeschrieben. Diese soll erhebliche Beeinträchtigungen der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung möglichst verhindern, mindestens aber den funktionalen Zusammenhang (die "Kohärenz") von Natura 2000 wahren.
Welche Bedeutung haben die prioritären Lebensraumtypen und Arten?
Ein kleiner Teil der in den Anhängen I und II der FFH-Richtlinie aufgeführten Lebensräume und Arten ist durch ein Sternchen (" * ") als "prioritär" gekennzeichnet. Gemeldete Gebiete mit prioritären Arten oder Lebensraumtypen werden auf europäischer Ebene grundsätzlich als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung betrachtet. Auf der nationalen Ebene unterliegen deren Vorkommen jedoch denselben Auswahlkriterien wie bei den übrigen Arten und Lebensraumtypen, die bei der Gebietsauswahl ebenso zu berücksichtigen sind wie die prioritären.
Besonders bedeutsam ist das Vorkommen prioritärer Arten und Lebensraumtypen für die Ausnahmeregelungen als Rechtsfolgen einer negativen Verträglichkeitsprüfung (ggfs. Verpflichtung zur Beteiligung der Europäischen Kommission vor der Projektzulassung bzw. Plangenehmigung).
Was wurde zur Umsetzung der FFH-Richtlinie in Niedersachsen veranlasst?
Der Aufbau des Schutzgebietsnetzes ist in Niedersachsen grundsätzlich abgeschlossen; das Netz kann als „etabliert“ gelten. Ausnahmen für Änderungen der Gebietskulisse sind nur in den Fällen vorgesehen, in denen ein Gebiet falsch abgegrenzt worden ist oder neuere wissenschaftliche Erkenntnisse für die Gebietsabgrenzung zu berücksichtigen sind. Derzeit wird eine durch das Kabinett noch in der vergangenen Legislaturperiode 2017 beschlossene, ca. 800 ha umfassende Korrektur der Schutzgebietskulisse zur Mitteilung an die EU-Kommission (über BMU) vorbereitet.
Niedersachsen hat seine komplette FFH-Gebietsliste mit den dazu gehörigen Gebietskarten und Standarddatenbögen über das Bundesumweltministerium an die Europäische Kommission gemeldet. Die gemeldeten Gebiete können auf einer interaktiven Karte angesehen und ausgedruckt werden.
Die Zuständigkeit für die hoheitliche Sicherung und das ergänzende Management liegt in Niedersachsen grundsätzlich bei den unteren Naturschutzbehörden. Das Instrument des Vertragsnaturschutzes kann einem Gebiet nach einschlägiger Rechtsprechung keinen ausreichenden rechtlichen Schutzstatus verleihen und scheidet somit als Sicherungsinstrument aus. Natura 2000-Gebiete sind somit durch eine Schutzgebietsausweisung hoheitlich zu sichern. Dem Vertragsnaturschutz kommt überall dort, wo Naturschutzflächen auf eine naturverträgliche Bewirtschaftung oder Pflege angewiesen sind und entsprechende Regelungen nicht bereits über die hoheitliche Sicherung getroffen wurden eine Rolle im Rahmen des der Sicherung nachfolgenden Gebietsmanagements zu.
d) Management der Gebiete
Das Management in den FFH-Gebieten ist ein wesentlicher Teil der Umsetzung des europäischen Schutzgebietsnetzes. In Artikel 6 der FFH-Richtlinie sind Hinweise für das Gebietsmanagement enthalten. Demnach sollen die EU-Mitgliedstaaten eine Verschlechterung der Lebensraumtypen und erhebliche Störungen der NATURA 2000-Arten vermeiden. Managementpläne bzw. Bewirtschaftungspläne können erstellt werden, um erforderliche Maßnahmen zu formulieren, die auf die ökologischen Ansprüche der Lebensraumtypen und Arten ausgerichtet sind. Eine Entwicklung entsprechender Maßnahmen ist auch durch sog. Maßnahmenblätter möglich.
Das Gebietsmanagement ist ein wirksames Instrument für einen gemeinsamen Umsetzungsprozess mit den Flächennutzern.
In Niedersachsen werden die Pläne oder auch Maßnahmeblätter grundsätzlich von den unteren Naturschutzbehörden - und für den Landeswald von der Anstalt Niedersächsische Landesforsten - erstellt. Erstellte Management- bzw. Bewirtschaftungspläne sowie Maßnahmeblätter sind auf der Homepage der räumlich zuständigen unteren Naturschutzbehörde einsehbar.
Artikel-Informationen
erstellt am:
10.10.2008
zuletzt aktualisiert am:
10.06.2020