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erstellt am:
31.05.2013
HANNOVER. Umweltminister Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Kai Seefried und Helmut Dammann-Tamke (CDU) zum Bau des Steinkohlekraftwerks in Stade geantwortet.
Die Abgeordneten Kai Seefried und Helmut Dammann-Tamke (CDU) hatten gefragt: Wird die Landesregierung den Bau des Steinkohlekraftwerks in Stade unterstützen?
Der Chemiekonzern Dow Chemical beabsichtigt, ein Kohlekraftwerk in Stade-Bützfleth zu errichten. Das geplante Kraftwerk soll rund 300 Millionen Euro kosten und ist als innovatives Projekt geplant, bei dem auch Gas, Wasserstoff und Biomasse zum Einsatz kommen sollen. Rund 1 500 Arbeitsplätze sollen entstehen.
Im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 19. Februar 2013 wurde festgehalten: „Die rot-grüne Koalition wird konventionelle fossile Kraftwerke zur Abdeckung von Spitzenlast oder industriellen Prozessen nur noch genehmigen, wenn der Wirkungsgrad mindestens 55 % erreicht. Für dieses Ziel sollen auch die Vorrangstandorte für Großkraftwerke im Landes-Raumordnungsprogramm (LROP) überarbeitet werden.“
Umweltverbände haben am 25. März 2012 fast 9 000 Einwände gegen das geplante Kraftwerk im Stader Rathaus an Bürgermeisterin Silvia Nieber (SPD) übergeben. Die Stader Grünen lehnen nach wie vor ein Kohlekraftwerk auf dem Gelände der Dow Chemical ab.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Welchen Wirkungsgrad erreicht das Kohlekraftwerk der Dow Chemical in Stade-Bützfleth?
2. Wird die Landesregierung den Bau des Kraftwerks im weiteren Planungsprozess und in der Umsetzung unterstützen?
3. Welche Erkenntnisse hat Umweltminister Stefan Wenzel bei seinem Besuch der Dow in Stade am 20. April 2013 in Bezug auf den aktuellen Planungsstand und die Einwendungen regionaler Kritiker gewonnen?
Stefan Wenzel, der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz, beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Vorbemerkungen:
Im Chemiewerk Stade des Unternehmens Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH (im Folgenden: Dow) stellen ca. 1.500 Mitarbeiter pro Jahr mehr als 2,2 Millionen Tonnen verschiedener Grund- und Spezialchemikalien her. Das Werk verbraucht im Jahr nach Unternehmensangaben rund 5 Terawattstunden Strom, was knapp ein Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland ausmacht.
Dow ist daher auf eine langfristige, stabile und global wettbewerbsfähige Versorgung mit Strom und Wärme angewiesen. Unter anderem auch aus diesem Grunde plant Dow auf ihrem Werksgelände in Stade westlich der Elbe und nördlich der Schwinge die Errichtung und den Betrieb eines Industriekraftwerks mit einer Nennleistung von bis zu 920 Megawatt elektrisch und einer Feuerungswärmeleistung (FWL) von bis zu 2.100 Megawatt thermisch.
Die Errichtung und der Betrieb des geplanten Industriekraftwerks Stade sollen nach Plänen des Unternehmens die Versorgung des eigenen Werksstandortes von Dow mit Strom und Dampf sicher stellen. Im Betrieb zeitweilig nicht benötigte beziehungsweise überschüssige Strommengen sollen in das allgemeine öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Ggf. soll auch die gesamte Leistung des Kraftwerks in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1:
Nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen soll das Dow-Kraftwerk in Stade-Bützfleth einen elektrischen Wirkungsgrad von ca. 45 Prozent haben. Damit entspricht es dem Durchschnitt neuer Steinkohlekraftwerke. Unter Berücksichtigung der Wärme- und Dampfnutzung soll das geplante Kraftwerk einen Gesamtwirkungsgrad von ca. 58 Prozent erreichen.
Zu 2:
Der Standort des geplanten Kraftwerkes von Dow in Stade-Blützfleth in unmittelbarer Lage an der Elbe bringt mehrere Vorteile aber auch Nachteile mit sich: Zum einen ist die wasserreiche Elbe für eine Entnahme von Kühlwasser und die Wiedereinleitung von Kühlwasser besonders geeignet. Für den Betrieb des Kraftwerks wird damit eine Durchlaufkühlung möglich, die zu einem höheren Wirkungsgrad und einem effizienteren Betrieb des Kraftwerks gegenüber einer Rückkühlung über einen Kühlturm führt. Fraglich ist aber, ob eine weitere Erwärmung der Elbe durch die Wiedereinleitung des Kühlwassers insbesondere in den Sommermonaten nach den Wärmelastplänen auch aus ökologischen Gründen verantwortbar ist. Zum anderen bietet die bei Stade seeschifftiefe Elbe ideale Bedingungen für die Umsetzung eines überwiegend schiffsbezogenen Logistikkonzeptes, das landseitige Verkehre und damit verbundene Emissionen mindert. Demgegenüber stehen jedoch erhebliche CO-2 Emissionen, die vom Betrieb des Kohlekraftwerks ausgehen und das Klima weiter belasten und die Klimaschutzziele der Landesregierung beeinträchtigen. Durch die geplante Kohlestromproduktion würden jährlich mehr als 5 Millionen Tonnen CO-2 in die Atmosphäre entlassen, ohne dass gleichzeitig ältere Kraftwerke mit derselben Leistung vom Netz genommen werden müssen.
Von Unternehmensseite wird der Standort für die Umsetzung eines Kraftwerksvorhabens auch deshalb als besonders geeignet angesehen, weil bei der Energieerzeugung Synergieeffekte mit den benachbarten chemischen Produktionsanlagen genutzt werden können. So wird ein Kraftwerk mit einem integrierten Konzept geplant, indem Kohle, Gas und Biomasse kombiniert zur Stromerzeugung eingesetzt werden sollen. Darüber hinaus soll der in den Produktionsprozessen im Chemiewerk entstandene Wasserstoff ebenfalls in dem Kraftwerk zur Energienutzung verwendet werden. Umgekehrt kann die bei der Energieerzeugung anfallende Prozesswärme in Form von Dampf ausgekoppelt und wiederum in der chemischen Produktion eingesetzt werden (Kraft-Wärme-Kopplung).Auf grund dieses integrierten Konzeptes erreicht das Kraftwerk den o. g. Brennstoffnutzungsgrad. Gegen die Geeignetheit des Standorts wird jedoch von den Verbänden und Bürgerinitiativen u. a. eingewandt, dass die Abstände zur benachbarten Wohnbebauung (Stade-Bützfleth) zu gering seien und durch ein Kohlekraftwerk der gesamte Obstanbau des Alten Landes einen Imageschaden erleiden und wirtschaftlich in Bedrängnis geraten könnte.
Letztlich muss mit dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien und auf Grund der europäischen Überkapazitäten in der Stromproduktion damit gerechnet werden, dass Kohlekraftwerke zukünftig nicht mehr als Grundlastkraftwerke wirtschaftlich gefahren werden können sondern allenfalls noch mit etwa 4000 Volllaststunden. Auch deshalb sehen große Stromproduzenten zurzeit keinen Markt für neue Kohlekraftwerke und haben ihre Investitionsvorhaben insoweit aufgegeben. Die Landesregierung wird deshalb aufmerksam beobachten, ob die DOW unter den o. g. wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kurzfristig eine Investitionsentscheidung zum Bau des Kohlekraftwerks treffen wird.
Die Niedersächsische Landesregierung hat jedenfalls das Ziel, dass zukünftig nur noch konventionelle fossile Kraftwerke zur Abdeckung der Spitzenlast oder industrieller Prozesse genehmigt werden, wenn diese einen Wirkungsgrad von mindestens 55 Prozent erreichen.
Zu 3:
Die Niedersächsische Landesregierung legt großen Wert auf Dialog, Kooperation, Teilhabe und Mitbestimmung, um das Land und die Gesellschaft neu zu gestalten. Dies gilt auch für das Gemeinschaftswerk Energiewende. Die Niedersächsische Landesregierung spricht sich daher für einen organisierten Kommunikationsprozess aus, der den Dialog mit dem bürgerschaftlichen Engagement, den Wirtschafts- und Sozialpartnern sowie den Nichtregierungsorganisation sicherstellt und die Partner vernetzt. Es ist daher für die Niedersächsische Landesregierung selbstverständlich, dass sie sich im Zuge der Planungen zum Bau des Kraftwerkes in Stade sowohl mit dem Vorhabenträger Dow als auch mit den Kritikern dieses Kraftwerkes konstruktiv auseinandersetzt und sich auch an der Diskussion über mögliche Alternativen beteiligt, zumal die Investitionsentscheidung der Firma nicht kurzfristig zu erwarten ist.
Am 20. April 2013 hat sich Minister Wenzel mit Vertretern von DOW getroffen. In dem Gespräch wurden verschiedene Themen, die Dow derzeit betreffen, erörtert. Minister Wenzel wurde seitens des Unternehmens u. a. darüber informiert, wie sich derzeit die Kosten bei den Rohstoffen entwickeln. Der Bau des geplanten Kraftwerkes in Stade von Dow wurde ebenso angesprochen. Dabei wurde deutlich, dass DOW insbesondere die Entwicklung der langfristigen Kosten verschiedener Brennstoffe bei der Entscheidung zur Umsetzung des Projektes berücksichtigt. Hierzu wurde vereinbart den Dialog über langfristig sinnvolle Konzepte der Energieversorgung fortzusetzen. Niedersachsen hat ein großes Interesse daran, den Produktionsstandort der DOW langfristig zu sichern.
Der Niedersächsischen Landesregierung sind auch die vielfältigen und von unterschiedlicher Seite geäußerten Bedenken gegen das Kraftwerk bewusst und sie nimmt diese sehr ernst. Diesen wird – sobald die entsprechenden Anträge auf Genehmigung vorliegen - in einem ordnungsgemäßen Verfahren Rechnung getragen und sie werden entsprechend berücksichtigt.
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erstellt am:
31.05.2013